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Hans Lucke

Das Täubchen, dass den Igel küssen wollte

Geschichten für große und kleine Menschenkinder

Ein Marienkäfer auf der Suche nach seinem siebten Punkt, eine Ameise, die lieber ein Hund sein will, eine fernsehsüchtige Amsel und eine Hexe in der Straßenbahn. Erzählt werden die fantasievollen Geschichten von dem einstigen DNT-Schauspieler, Regisseur und Autor Hans Lucke. 

Peter Muggel

Karl Müllenhoff

Einst war Peter Muggel einer der gefürchtetsten Räuber seiner Zeit. In der heutigen Zeit ist er zu einer bekannten Sagengestalt in Schleswig-Holstein geworden. Unbarmherzig raubt er die wertvollsten Schätze der ahnungslosen Kaufleute, giert nach immer mehr Kostbarkeiten und geht in seiner Habgier am Ende sogar einen Pakt mit dem Teufel ein, um seinen Schatz in Sicherheit zu bringen. Ob dieser früher oder später gefunden werden kann, ist fraglich, denn das Teufelssiegel hält jeden davon ab, diesen Schatz zu heben. Vielleicht ist es auch einfach zu gefährlich, den Versuch zu unternehmen, den Schatz zu finden. Denn hinter der nächsten Weggabelung kann schon das Gespenst des Peter Muggel auf seinem weißen Schimmel lauern.

Carolin Eberhardt

Vor langer Zeit, als Hamburg und Lübeck noch sehr mächtig waren, besaß der kühne Räuber Peter Muggel die Ländereien des Dorfes und Schlosses Schwienkuhlen bei Ahrensbrök. Von seinen Besitztümern aus machte er, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen, die gesamte Umgegend unsicher. Er plünderte und raubte, was er brauchte und wollte, insbesondere überfiel er Kaufleute mit ihren beladenen Fuhrwerken furchtlos und ohne Gnade. Dies dauerte so eine ganze Weile, doch endlich wurden die reichen Herren in den Städten über Muggels Treiben erzürnt und schickten ihre Soldaten auf die Mission, dem Räuber den Garaus zu machen. Diese ließen von Schloss und Dorf nach ihrer Ankunft nur noch einen Trümmerhaufen zurück, Peter Muggel aber fanden sie dort längst nicht mehr vor. Der schlaue Räuber hatte bereits zuvor von den herannahenden Soldaten Kunde erhalten und hatte darauf schleunigst seinen Raubschatz in eine Höhle verbracht, die er eigens als Versteck in der Kienzauer Weide in der Nähe des Dorfes Kienzau hatte einrichten lassen. Prompt in dem Moment der Ankunft der Soldaten schwang sich Peter nun auf seinen breitrückigen Schimmel. Bereits kurze Zeit nach dieser Begebenheit, so erzählte man, nahm Räuber Muggel seine Geschäfte wieder auf, wohl noch emsiger als zuvor.
Die Bemühungen der Städte Hamburg und Lübeck, Muggels Schlupfwinkel ausfindig zu machen, blieben lange fruchtlos. Als der Fund eines Tages nun doch noch gelang, wussten sich Muggel und seine tapferen Gefährten die ausgeschickten Soldaten zu schlagen. Doch hatte das Räubervolk eine Truppe siegreich vernichtet, folgte alsbald schon die nächste. Und so musste es schließlich dazu kommen, dass Muggels Gefolge nach und nach vollends in diesen Schlachten aufgerieben wurden. Letztlich war Peter der einzig Überlebende. Aus Angst, den Feinden samt seines Schatzes in die Hände zu fallen, rief er in einer dunklen und stürmischen Nacht den Teufel herbei, der ihm auch alsbald in der Gestalt eines schwarzen Bockes entgegen trat. Auf dessen Anweisungen hin grub Peter eine tiefe Grube. Doch als er begann die Erde zu schaufeln, als um ihn her plötzlich, wie am Tage gleich, ein heller Schein war, welcher von einem unter dem Schwanze des Bocks befindlichen Licht zu kommen schien. Als Peter Muggel nun die Arbeit an der Grube zufriedenstellend beendet hatte, wurden gemeinsam mit dem Teufel seine Schätze abgezählt und ihn das Erdloch gelegt. Darüber aber setzte der Teufel sein Siegel, welches heute noch als flache Steinplatte sichtbar ist. Daraufhin sprach Belzebub zu Peter: „So, nun ist dein Schatz verwahrt; willst du oder ein Anderer ihn einmal wieder haben, so müsst ihr in einer eben solchen Nacht wie diese, mit einem eben solchen Bock wie ich bin, und der euch auf dieselbe Art leuchtet, kommen; aber, wenn der Bock auch nur ein weißes Härchen hat oder ihr anderes Licht gebraucht, wird eure Arbeit umsonst sein.“

Da bis zum heutigen Tag das Siegel des Teufels unberührt blieb, ist davon auszugehen, dass sich der Schatz des Muggel nach wie vor an eben dieser Stelle befindet. Peter Muggels Tage aber waren nun bereits gezählt. Die städtischen Truppen durchstreiften weiterhin die gesamte Gegend, um seinen Aufenthaltsort ausfindig zu machen. Da der Räuber sich unterwegs allzu unsicher fühlte, suchte er mit seinem Schimmel einen Schmied auf und ließ dem Tier die Hufeisen verkehrt herum anbringen. Nach diesem Streich ritt er zurück in seine Höhle. Er wägte sich nun dort in Sicherheit, da er glaubte, die Soldaten würden der Annahme anheim fallen, er sei in die andere Richtung geritten. Kurze Zeit darauf fanden die Truppen auch die Spur, fielen auch auf Muggels list herein, doch nahmen sie, ihrer Gier nach Schätzen folgend, dennoch die Richtung zu der Höhle. Als sie den Räuber dort schlafen vorfanden, ging einer der Soldaten mit dem Messer auf Muggel los und erstach ihn, denn er und seine Gefährten fürchteten, dass sie ihn wachend nie überwältigen könnten.

Seit Peter Muggel aus dem Leben geschieden ist, wurde sein Geist des Öfteren, auf seinem breitbeinigen Schimmel reitend, gesehen, wie er des Nachts mit furchtbarem Gerassel und Getöse durch das Dorf Gießelrade jagte. Er reite dann wohl zu einem Teiche in der Nähe des Dorfes, ließe dort seinen Schimmel baden und verschwinde jedes Mal wieder in die Richtung seines Schlupfwinkels. Die Einwohner des Ortes aber waren stets darauf bedacht, der geisterhaften Erscheinung des Peter Muggel lieber aus dem Wege zu gehen. Der Berg, auf welchem einst Muggels Schloss gestanden hat, wird auch heute noch der Muggelberg genannt.

nacherzählt von Carolin Eberhardt

Weitere Informationen:

Die Sage vom Peter Muggel wurde durch den Schullehrer Kirschmann in Eutin mündlich überliefert.

1470 verkaufte Frau Abel, Eggerd Muggels Witwe, das Dorf und den Hof Schwienkuhlen an das Kloster Ahrensbök.

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Textquelle:

In Anlehnung an: Mühlenhoff, Karl (Hrsg.): Sagen, Märchen und Lieder der Herzogthümer Schleswig, Holstein und Lauenburg, Kiel: Verlag von Max Tiedscher, 1845.

Bildquelle:

Vorschaubild: Tafel des Sebaldusaltar mit einer Darstellung des Beistands des Hl. Sebaldus gegen Wegelagerer, 2020, Urheber des Fotos: Andreas F. Borchert via Wikimedia Commons CC BY-SA 3.0.

Höhle bei Nacht, 2020, Urheber: carocta via Pixabay CCO.

Geflügelter Teufel, 2012, Urheber: Clker-Free-Vector-Images via Pixabay CCO.

Mittelalterlicher Ritter, 2012, Urheber: ArtTower via Pixabay CCO.


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