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Im Lerchenwald

"Je älter ich werde, umso mehr erscheint mir
mein Lebensgebäude hell erleuchtet,
aber es ist leer, nur in einem Raum steht
ein kleiner Karton mit Erkenntnis.
Er bleibt dort, bis die neuen Mieter einziehen."

Diese Zeilen sind der Aphorismensammlung vorangestellt und deuten bereits darauf hin, dass die einzelnen vielfältigen Verse und Gedanken die Gesamtheit eines ereignisreichen Lebens widerzuspiegeln suchen.
"Das Leben ist ein Abenteuer, denn niemand weiß, wie es ausgeht."

Spaziergang am Herbstabend

Spaziergang am Herbstabend

Friedrich Hebbel, der Dichter zwischen Klassik und Moderne, gilt als einer der hervorragenden Dramatiker des 19. Jahrhunderts. Mit dem Werk „Maria Magdalena" schuf er das letzte deutsche bürgerliche Trauerspiel. Der Maurersohn aus Wesselburen wuchs in ärmlichen Verhältnissen auf und führte als junger Mann ein Leben als Reisender, der in Hamburg, München, Heidelberg und Wien Station machte. Neben seinen Erfolgen als Dramendichter war er auch ein begabter Lyriker.

Ulrike Unger

Friedrich Hebbel

Spaziergang am Herbstabend

Wenn ich Abends einsam gehe
Und die Blätter fallen sehe,
Finsternisse nieder wallen,
Ferne, fromme Glocken hallen:

Ach, wie viele sanfte Bilder,
Immer inniger und milder,
Schatten längst vergangner Zeiten,
Seh' ich dann vorüber gleiten.

Was ich in den fernsten Stunden,
Oft nur halb bewußt, empfunden,
Dämmert auf in Seel' und Sinnen,
Mich noch einmal zu umspinnen.

Und im inneren Zerfließen
Mein' ich's wieder zu genießen,
Was mich vormals glücklich machte,
Oder mir Vergessen brachte.

Doch, dann frag' ich mich mit Beben:
Ist so ganz verarmt dein Leben?
Was du jetzt ersehnst mit Schmerzen,
Sprich, was war es einst dem Herzen?

Völlig dunkel ist's geworden,
Schärfer bläst der Wind aus Norden,
Und dies Blatt, dies kalt benetzte,
Ist vielleicht vom Baum das letzte.

 

***

Friedrich Hebbel: Sämtliche Werke. 1. Abteilung: Werke. Berlin: 1911 u.a. S. 231–232.

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